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Rosa Schokolade und kein Glitzer für die Jungs. Ein Nachtrag.

Von Irina

Wirklich, Industrie? Jetzt noch Schokolade für Jungen und Mädchen? Lass mich mal überlegen, ob wir wirklich noch eine weitere Komplikation im Zusammenleben mit Kindern brauchen. Da sind bizarre Wünsche rund um Klamotten – im Winter Sommerkleidung, im Sommer Winterkleidung, dazwischen gerne mal oben mit Schal und unten ganz ohne. Da ist nach sechs Wochen Orangensaft plötzlich die kleine Lispelstimme, die sagt: Nein, Mama. Orangensaft mag ich nicht, den habe ich noch nie gemocht. Aber Fanta, die trinke ich jetzt immer. Nein, Industrie, ich glaube, wir haben erstmal genug, unsere Tage sind voll.

Ja, ich rege mich darüber auf. Wenn mir wieder grelles Rosa aus den Regalen entgegenschreit, möchte ich mir eine Sonnenbrille aufsetzen. Warum, nebenbei gefragt, eigentlich Rosa? Mich packt das nackte Grausen, wenn ich sehe, was da verkauft wird und wie damit immer noch Geschlechterbilder zementiert werden. Denn egal, wie reflektiert ich konsumiere, es ist keine Frage des Geldbeutels oder der Verbote. Ich kann die Sondereditionen für Mädchen im Laden lassen und muss keinen rosa Glitzertüll kaufen, genauso wenig wie Limo und Schlumpf-Weingummi. Es sind die Botschaften dahinter, die trotzdem in den Kinderköpfen ankommen, insofern ich nicht in den Wald ziehe und auf Waldorfpädagogik umstelle.

Sie gehen in den Kindergarten und sehen, was ihre Freundinnen und Freunde anhaben und womit sie spielen. Wie kleine Mädchen Bikinioberteile tragen, die nichts verhüllen, weil noch nichts da ist. Plötzlich, nachdem sie sich jahrelang für Bagger und Traktoren ebenso interessiert haben wie für Puppen und Teddybären, kommen sie heim und erzählen: Übrigens, Mädchen dürfen nicht auf dem Bauteppich spielen, Jungs, die sich als Mädchen verkleiden sind komisch und alle möglichen Farben gehen jetzt nicht mehr, weil …

Ich kann mit Verboten arbeiten und bin dann der Arsch. Solange du deine Füße unter meinen Tisch und so weiter. Ja, klar, kann ich machen. In die Situation kommt man immer mal wieder als Elternteil und damit kann ich leben. Aber ich kann nicht verhindern, wie sich in den Köpfen der Kinder festsetzt, dass es bei Männern und Frauen nicht nur Unterschiede beim Pipimachen und Kinderkriegen gibt, sondern dass jedes Geschlecht eigene Farben hat, die für das andere tabu sind. Und dass anhand der Farben Bilder transportiert werden:

Blaue, grüne, rote Bilder für Jungen zeigen Bagger, Autos, Flugzeuge und Werkzeuge. Anhand von Farben lernen Jungs: Du darfst Fahrzeuge steuern, mit denen du bis zum Mond fliegen kannst. Mit denen du bauen und zerstören darfst. Du darfst Menschenleben retten und Diebe einbuchten. Du kannst Sachen reparieren, Häuser bauen und Straßen planieren. Aber um dein Kind kümmern solltest du dich nicht und Essen kochen auch nicht unbedingt. Du sollst tapfer sein, denn starke Männer, die bis zum Mond fliegen, weinen nicht.

Helle, rosa, pastellfarbene Bilder für Mädchen zeigen Puppen, Kinderwagen, Schnuller und Hübsches. Mädchen lernen anhand von Farben: Du darfst Kinder bekommen, sie ins Bett legen, sie wickeln, baden, füttern. Sie im Kinderwagen herumfahren und in der Wiege wiegen. Du kannst Essen kaufen, kochen und nachher die Töpfe sauber in den Schrank stellen. Und du darfst schön sein, niedlich, deine Haare kämmen, dir Spangen reinmachen und dir den Mund anmalen. Dein Kleid soll sich drehen und mit drei Jahren brauchst du ein Bikinioberteil. Aber bis zum Mond fliegen kannst du nicht - denn die Rakete hat die falsche Farbe.

Ich habe kein besonders großes Problem damit, trashiges Spielzeug oder Süßkram nicht zu kaufen. Deshalb fällt es mir auch nicht schwer, rosa Sondereditionen von was-weiß-ich-was im Laden zu lassen. Das Thema ärgert mich nicht primär wegen des Geldes, denn wenn man für Kinder verantwortlich ist, muss man dauernd verbieten, abwägen und der böse Bulle sein. Ich finde es schwierig, mit den Konzepten klarzukommen, die mit den genderisierten Produkten daherkommen, weil gegen sie so schwer anzukommen ist. Es braucht viele Worte und Erklärungen, die so weitschweifig und kompliziert sind, dass kleine Kinder sie noch nicht verstehen. Wenn sie alt genug dafür sind, haben sie schon jahrelange Indoktrination hinter sich. Das ist schade und überflüssig und ich wünschte, mir würde etwas einfallen, was ich dagegen tun kann. Bis dahin mache ich eben weiter mit Verboten und lasse mich anschreien. Jedenfalls vielen Dank, Industrie, dass mir nicht langweilig wird.