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Off we go.

von Edda

Scheitern war gestern, heute wird aufgestanden. Endlich Nichtschwimmer! Also fresse ich meine Matrosenmütze dann doch nicht, sondern schwinge mich in meinen 313er, um Daisy zum zwanzigtausendsten mal zu erobern. Und wer nicht versteht, wovon ich rede, der liest nicht genug Lustige Taschenbücher und muss das schnellstmöglich ändern. Ich bin kein Mensch der wohltemperierten Entschlüsse, sondern schieße schnell und wildentschlossen. Ich teile also dem Iren mit, dass ich einen super Plan habe, falls ich durch mein Studium falle und alle bisherigen Pläne scheitern sollte. Ich habe eine tolle Business-Idee und sie wird mich reich und berühmt machen, weil du dich ja hartnäckig weigerst, endlich Rockstar zu werden! Der Ire ist angemessen unbeeindruckt und murmelt irgendwas vor sich hin, was eventuell damit zu tun haben könnte, dass er sich auf friedliche fünf Frühstücksminuten gefreut hat. Denn irgendwie sind gerade alle unsere Kinder zeitgleich verschwunden. Hättest du dich mal lieber auf dem Klo versteckt, wenn du unbedingt deine Ruhe haben willst, denke ich mir und kenne kein Mitleid.

Ich hätte gerne einen virtuellen Flaschenpostversand, erkläre ich unaufgefordert. So was wie Radomir Runzelschuh's Märchenschatz, nur online und ohne hässliche Illustrationen. Radomir Runzelschuh und sein Schatz war ein knallbunter Märchenautomat am Berliner Alex, wo man sich für einen Euro einen Umschlag mit einer Geschichte ziehen konnte. Ich hätte gerne einen virtuellen Platz, wo man seine Geschichte, sein Lied, seine Illustration einschicken kann - und sich irgendwer gegen einen Betrag von XX eine virtuelle, zufällige Flaschenpost schicken lassen kann. Und da ist dann eben eine Geschichte oder ein Lied oder eine Illustration drin. Es gibt nichts Besseres bei Heimweh, Herz-, Welt- oder Bauchschmerz als eine wilde Geschichte. Ich stehe praktisch in Flammen und der Ire sieht eher verregnet aus. Ja, sagt er, aber wie würdest Du Geld verdienen? Das wiederum halte ich für kleinteilig und kleingeistig. Für dich habe ich auch eine super Idee! Er könne es kaum abwarten, davon zu hören, erwidert der fiese Konrinthenkacker. Und wer nicht mit einem Angelsachsen oder Iren zusammenlebt, kann sich die Sarkasmus-Dimensionen in manchen Antworten nicht mal ansatzweise vorstellen. Dir stellen wir einen Tisch an der Straße auf und jeder kann kommen und sich für 5 Dollar einen Ratschlag zu irgendeiner Angelegenheit abholen, beschließe ich: Computer-Kram, Liebesdinge, Strom & Artverwandtes, Steuerfragen und die artgerechte Verwahrung von Kabeln - du kannst zu allem was sagen, solange es den Gebrauch von Kreisstichsägen ausschließt. Das ist definitiv ein asset und somit ist dein business plan skalierbar (ich lese bei Flugreisen gerne die Zeitschrift "Business Punk" und kenne mich da aus).

Musst du nicht lernen, oder so? Fragt mich der Ire gewohntermaßen charmant und ich bemerke hämisch, wie sich im Hintergrund Mimimi heranschleicht, die garantiert gewittert hat, dass ihre Eltern hier ein ungestörtes Gespräch führen und die sich folglich vorgenommen hat, die Idylle mal ein bißchen aufzumischen. Und wo einer schleicht, sind drei Andere nicht weit. In die Küche explodiert ein Knäuel aus abstehenden Ohren, wilden Haaren und motorsägigem Gekreisch - Beanie heult, Dark Vader ist zornig und Elly beleidigt. So, sage ich, wie schade - ich muss dann mal lernen. Dann verschwinde ich an meinen Schreibtisch und höre hinter mir eine Kakophonie aus Beschwerden. Der Ire hat neulich erklärt, er würde gerne sein Gehör abschalten können, so wie bei noise-cancelling headphones. Keine Ahnung, wie er darauf gekommen ist! Manchmal fragen mich Leute, wie das so ist in Großfamilien und wie man sich das mit so vielen Kindern vorstellen muss. Und anstatt an Bioscience denke ich daran, dass Donald ja auch Tick, Trick und Track hat und das in diesem ganzen Krach und Chaos eben auch meine Motivation liegt, immer wieder weiterzumachen. In der allumfassenden Unordnung liegt die Chance und Pflicht, immer wieder anzufangen, neu zu denken und von einer Seite an den gordischen Knoten des alltäglichen Lebens heranzutreten, die man vorher nicht erwogen hat. Mein Papa, der bekanntlich bereits nach dem zweiten Kind fand, dass es jetzt dann aber reiche, fragt mich in schöner Regelmäßigkeit bei jedem Besuch wie man das denn aushalte. Und ob ich auch regelmäßig zum Hausarzt gehen würde. Dabei gibt es viele Eltern, die schwören, dass ihre Babies bei white noise gut schlafen. Mein white noise ist das Geschrei meiner Kinder, das ganze Lachen, die Streitereien und dass sie manchmal alle vier der Größe nach hintereinander herrennen und aus voller Seele singen (oder brüllen, die Grenzen sind da fließend). Entenhausen ist groß, denke ich, und dass es irgendwie immer weitergeht.