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Das Leben ist kein Kindergeburtstag

von Edda

Ich gebe "Weltall Kindergeburtstag Rakete Milchstraße Echtes Feuer" bei Pinterest ein und erhalte ziemlich viele Treffer.

Ich kann Kindergeburtstage nicht leiden - weder die anderer Kinder, noch meine eigenen als Kind und schon gar nicht die Geburtstagsfeiern meiner Kinder. Ich verfalle ca. 6 Wochen vor drohender Geburtstagsfeier in eine Art Party-Katatonie, die einhergeht mit beharrlichem Schweigen zu allen Party-relevanten Themen. Bei fast vier Kindern ist das immerhin schon ein Zeitraum von einem halben Jahr andauernden Unwohlseins. Jedes Jahr. Hochgerechnet auf die Zeitspanne von ca. 10 Jahren, in der ein Kind gerne seinen Geburtstag unter Anteilnahme der Eltern feiern möchte, gehe ich 5 Jahren Grauen entgegen. Dabei sind ja Kindergeburtstag von Außen betrachtet nicht schlimm: bißchen Torte, ein paar Spiele, Geschenke auspacken, hin und wieder heult einer. Alles nichts, was man aus dem Alltag mit Kindern nicht ohnehin schon kennen würde. Wenn Geburtstage nicht solche doppelbödigen kleinen Kacker wären! Wie im Verkauf von Kinderbüchern auch, muß man ja nicht nur die Zielgruppe bespielen, sondern auch noch deren Eltern. Und da fängt das Elend an. Mein Sohn beschäftigt sich bereits intensiv mit seinem Geburtstag, der immerhin schon in 5 Monaten ins Haus steht (gefühlt haben wir gerade eben erst die letzten Gäste verabschiedet). Diesmal bitte zum Thema "Weltall" und mit "Rakete bauen", die soll aber mindestens fliegen können. Und einem Kuchen "wie die Milchstraße". Mit Blinken! Und aus der Einladung sollen Funken fliegen: "Weißt Du Mama, ganz echtes Feuer". Ich gebe "Weltall Kindergeburtstag Rakete Milchstraße Echtes Feuer" bei Pinterest ein und erhalte viele Treffer. Vor allem von professionellen Partygestaltern, die möchten, dass ich für den Download ihrer Unterlagen erstmal 10 USD bezahle. Ich schlage meinem Sohn daher vor, dass wir doch letztes Jahr so ein schönes Fest hatten. Und dieses Jahr deswegen eher kleiner feiern könnten und dann nächstes Jahr wieder ... mein Sohn beginnt zu weinen. Dann vielleicht ein Weltraum-Fest mit eher wenigen Kindern und zumindest Einladungen ohne Feuer. Mein Sohn schluchzt, dass doch der Vincent auch einen Weltraumgeburtstag gehabt hätte und dessen Mama hätte als Einladung echte Tickets für eine Space Shuttle verschickt und dann wären alle auf Weltraumreise gegangen und es gab leuchtenden Kuchen und zum Schluß hat jeder eine Rakete zum Selberbasteln bekommen. Und Pommes gab es auch. Man merkt an dieser Stelle ganz schnell, dass es bei Geburtstagen eben nicht nur um die kleinen Gäste geht. Sondern auch noch um die Großen, die da im Hintergrund darum wetteifern, wer Germany's next Pinterest-Partyqueen wird. Ich möchte da nicht mitmachen. Also beruhige ich das weinende Kind und verschiebe das Thema auf den nächsten Tag. Da frage ich die Mama des besten Freundes meiner Tochter um Rat. Sie ist vor 2 Jahren von Amerika in die Schweiz gekommen und die gelassenste Person auf dieser Welt. Wie habe sie denn den Geburtstag ihrer älteren Tochter gefeiert, denn der war vor 10 Tagen und ich habe bisher weder Pickel auf ihrer Stirn entdeckt, noch schwarze Ringe unter den Augen. Sie habe die Party in einem Indoorspielplatz organisiert, ihre Tochter durfte die gesamte Klasse einladen - 20 Kinder - und der Spielplatz habe Essen, Getränke, Demo, Kuchen und eine Pinata gestellt. Die allerdings habe sie noch etwas auffüllen müssen, weil die paar Kilo Süßigkeiten nicht den gewünschten Pinata-Dusch-Effekt hergestellt hätte. Kostenpunkt: 1500 Schweizer Franken. Ich sammle mich innerlich und frage dann mit wiederhergestellter Stimme, ob es das denn wert gewesen sei. Ja, meint sie daraufhin kurz und knapp. Wer würde denn heute noch den Kindergeburtstag daheim ausrichten? Ich bin nicht befriedigt und beschließe ein letztes Interview zum Thema Partyzufriedenheit. Mein Mann kommt aus Irland und hat die typisch irische Anzahl von Geschwistern: ziemlich viele also. Wie waren denn seine Kindergeburtstage? Er meint, sich an keinerlei Choreographie erinnern zu können. Kuchen habe es gegeben und Kinder und das sei es auch schon gewesen. Ach so, und sicherlich nicht jedes Jahr. Und ob die Kinder nur seine Geschwister gewesen seien oder auch Freunde, Cousins, Nachbarskinder oder irgendwer, der zufällig gerade ins Haus gelaufen sei, wisse er jetzt nicht mehr. Das hilft mir alles nicht weiter. Was denn mein Problem sei, fragt mich der im Umgang mit mir erfahrene Mann: Man können das doch alles einfacher und unkomplizierter gestalten und es wäre genauso schön. Da aber ist die Falle - ich habe keine 1500 Franken, um ein riesiges Fest zu kaufen und ich bin schon viel zu sehr von der ganzen Party-Pinterest-Mafia verseucht, um einen zusammengefallenen Marmorkuchen als implodierten Pluto auszugeben. In einem Artikel auf Spiegel Online finde ich Antworten: Derzeit seien DIY-Sachen total angesagt, weil Kreativität zu einem zentralen kulturellen und auch ökonomischen Wert geworden sei. Selbstkreiertes sei ein Korrektiv zur Massenproduktion. Das bedeutet doch aber bei Kindergeburtstagen, dass wir uns von der Massenproduktion befreien und anstelle die Plastikeinladungen von Toys R Us zu verwenden, lieber drei Nächte lang Weltraumtickets kleben. Und uns irgendwie wieder versklaven lassen - von unseren eigenen Erwartungen. Und um zu ergründen, woher die jetzt genau kommen, bin ich zu müde. Und sollte vielleicht schonmal anfangen, Milchstraßen-Kuchen zu googeln. Ist ja schließlich schon in 5 Monaten soweit.