Sei wild und frei und stemme ein Pferd.
Ich möchte, dass mich jeder mag. Jeder soll toll finden, was ich mache und wer ich bin. Und während ich diese Sätze schreibe, schaue ich über die Schulter, um mich zu vergewissern, dass das jetzt keiner liest. Allen gefallen zu wollen ist nämlich ungefähr so cool, wie Donald Trump zu mögen. Oder James Blunt. Oder zu sagen, dass es total ok ist, bei H&M einzukaufen, weil die Kinderarbeiter ja letztendlich auch nur ihre Familien finanzieren. In Wahrheit ist es aber nicht nur nicht cool, von allen gemocht werden zu wollen. Es ist die Hölle. Weil es nämlich keinem weh tut, außer mir selbst. Mich bremst es in fast allen Lebensbereichen. Meiner Kollegin ist es nur recht, dass ich ihr nicht sage, wie sehr ihr umständliches Getue manchmal blockiert. Die Eltern im Kindergarten finden es bestimmt nur beschränkt tragisch, dass ich nicht bei jeder Sitzung lautstark in die Runde verkünde, dass es ungeheuerlich ist, wie keiner seinen Arsch bewegt, außer mir. Und es mir doch scheißegal ist, ob die Kindergärtnerin am Ende des Jahres einen Kack-Blumenstrauß in der Hand hat, oder nicht. Aber ich will ihn eben nicht mehr nach einem 12 Stunden Arbeitstag besorgen gehen und danach auf den Kosten sitzenbleiben. Und das sind noch die Randbegebenheiten. Ich sage nämlich auch meinem Chef nicht, was mir nicht passt. Meinen Freunden. Meiner Familie. Meinen Kindern sage ich es dagegen ständig - da nenne ich es aber nicht Widerstand, sondern Erziehung. Wenn ich meinem Mann davon erzähle, dann kann er das nicht verstehen. Wie soll sich denn irgendwas bewegen, wenn jeder gemocht werden will? Wie sollen sich Dinge weiterentwickeln, wenn wir uns nicht reiben? Er hat recht. Aber er ist auch ein Mann und genau das ist das Problem. Die Generation unserer Mütter hatte Pippi Langstrumpf-Poster in der Küche hängen und wollte uns damit etwas sagen: Sei wild und frei und stemme ein Pferd. Ich kann kein Pferd stemmen - dafür aber drei Kinder und einen Vollzeitjob und eine Freiberuflichkeit und das ehrenamtliche Engagement, das mich als Mitglied der bildungsnahen Mittelschicht ausweist. Wir sind die Generation der Frauen, die zwischen den Karren der Berufstätigkeit gespannt werden und am anderen Ende ziehen 1,6 Kinder bundesdeutscher Durchschnitt. Dann galoppieren beide Karren los und wenn es in unseren Gelenken knackt, dann lächeln wir schmerzverzerrt und sagen, dass das ja alles eine Frage der Organisation sei. Und es schon immer irgendwie geht. Geht es aber nicht. Frauen lächeln eigentlich ohnehin verdammt viel. Wenn sie bei Gehaltserhöhungen übergangen werden, wenn ihnen der Partner vorrechnet, dass ihr Gehalt die Kinderbetreuung eigentlich gerade mal so abdeckt und sich so Arbeiten ja fast nicht lohnt, wenn Kuchen immer frisch gebacken werden (glutenfrei, ist ja klar) und ... natürlich stammt diese Idee von Pinterest! Dem Forum, in dem wir Frauen uns jeden Tag anschauen können, dass es 3,7 Millionen besser können. Irgendwann steigt man dann lächelnd aus, wird Yogalehrerin, systemischer Coach, freiberufliche Lektorin, Kulturschaffende oder Ernährungsberaterin. Und liest in seiner Freizeit Bücher über den She-Boss, der erfolgreich männliche Verhaltensstrategien im beruflichen Umfeld umsetzen und damit total weit kommt. Dabei dürfen doch Männer Männer sein und Frauen dürfen Frauen bleiben - wenn wir einfach mal damit aufhören würden, dass uns jeder mögen soll. Fleißig wollen wir gerne sein, hart arbeitend, als Erste am Start und als Letzte vom Platz, überall mittendrin und nirgends außen vor. Den Preis bezahlen wir dabei ganz alleine. Morgens, wenn Tage vor uns liegen, die mindestens 42 Stunden haben. Mittags, wenn klar ist, dass auch heute das Tagespensum nicht machbar ist - egal, wie schnell wir auch rennen. Nachts, wenn die Angst vor der Zukunft so groß ist, dass sich die Zimmerdecke senkt. Keine von uns wird das System verändern, indem sie aussteigt. Bleibt drin, bleibt dran - sagt "Nein" und "Ich kann das nicht" und "Nein, auch nicht morgen! Weil morgen meine Planung bereits so aussieht, als sei ich ein weltweit gesuchter Herzspezialist". Das mag nicht jeder. Muß es aber eigentlich auch nicht. Vielleicht könnt ihr aber selber anfangen, es zu mögen. Niemand kann einen so unter Druck setzen, wie man sich selber. Hört auf, fleißig sein zu wollen. Stolz zu sein, wenn ihr jemandem erzählt, dass ihr gestern 12 Stunden gearbeitet habt und danan noch schnell mal 3 Salate für das Nachbarschaftsfest geschnippelt habt. Das ist kein Erfolg und es ist keine Leistung. Und ich mag euch dafür nicht - genausowenig, wie mich selber. Ich will meine Kämpfe selber wählen und für die, in die ich gezwungen werde, will ich Kraft haben. Und ich will sie gewinnen, weil es mein Leben ist, für das ich kämpfe.