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Von zuviel einfach zu wenig

von Edda

Es ist ja nie genug: nicht genug Zeit, nie genug Geld, nicht ausreichend Schultergeklopfe, nicht genug Sport und zuviel Gerede, aber zu wenig Gespräche. Das denke ich, während neben mir Odysseus steht und spricht. Odysseus ist unser Au Pair und lebt seit ein paar Wochen in unserem derzeit eher sehr unübersichtlichem Haushalt. Odysseus spricht gerne. Deswegen sind Au Pairs ja auch im Ausland, sie sollen Sprache und Kultur kennenlernen. An meine Nerven hat dabei allerdings niemand gedacht. Odysseus erzählt mir eine Geschichte, während ich abwasche, die Küchenabfälle einsammle, abtrockne, wegräume, kehre und den Herd saubermache. Dann ist die Geschichte noch immer nicht am Ende. Ich aber schon. Meine Kinder lieben Odysseus, denn er hat große Ohren, kann Lego bauen, Nudeln kochen und wenn man frech ist, versteht er es nicht immer. Es ist also für jeden was dabei.

 

Der Ire und ich beschäftigen uns mit Renovationen und zum ersten Mal in meinem Leben denke ich darüber nach, was mir an einer Küche wichtig ist. Dem Ort also, an dem ich mehr Zeit verbringe, als auf dem Klo, in der Badewanne und auf der Couch zusammen. Ich reaktiviere mein Pinterest-Profil und finde endlich auch heraus, was Küchen-Porno ist. Sollte ich demnächst sterben, möge man mich bitte in einem Mausoleum begraben, dass so aussieht, wie die Küchen, die ich im Pinboard "5 Bilambee Avenue" gespeichert habe. (Lieber Ire, falls Du das liest: Für ein richtiges Testament hatte ich kein Geld mehr im Budget, weil ich Schranktüren im Shakery-Profil kaufen musste. Ich musste einfach und habe wahrscheinlich vergessen, es Dir zu sagen!). Ich versuche, den Nachwuchs zu begeistern. Schaut mal Kinder, Fliesen!!! Die sieht genauso aus, wie mein Stinki, wenn es in der Krippe Spinat mittags gab, findet Elly. Ja, genau - schön, oder? Wie herrlich, dass sich die Kinder für meine Bemühungen ums neue Zuhause interessieren. Ich weiß gar nicht, was ich langweiliger finden soll: Küchen oder unsere wöchentliche Schulversammlung. Beanie ist unbeeindruckt. Dafür mischt sich nun der Präsident des Schönfinder-Vereins ein: Dark Vader interessiert sich grundsätzlich für alles und jeden. Tolle Fliesen, Mama, die hier sieht aus wie Magalis Popel und die hier wie der alte Salat aus dem Abtropfsieb in der Küche. Da ist kein alter Salat, empöre ich mich, das ist mein Balkon-Thymian, den das Baby zu meinem Leidwesen regelmäßig erntet und "verarbeitet". Im neuen Garten können wir dann ganz viel anpflanzen, freue ich mich. Du hast doch nie Zeit, erklärt Elly, du wolltest schon ganz lange meine Fingernägel schneiden, weil du meine Vorräte nicht leiden kannst (bei dem Wort "Vorräte" betrachtet er begeistert die Trauerränder unter den Nägeln). Wir lassen das Nagelschneiden, erkläre ich euphorisch, für Gartengeräte haben wir nämlich kein Geld mehr, wenn ich erstmal Shakery-Küchentüren gekauft habe.

 

Wie gut, dass meine Kinder auf der Begeisterungsskala irgenwo zwischen den Glücksbärchis und den Umpa-Lumpas rangieren. Heute haben wir in der Schule wieder Gulasch gespielt, erzählt Dark Vader beim Abendessen. Beanie lacht, das Spiel heißt doch nicht Gulasch, du Doofie. Es heißt uctnkfhinlwdhsksh, der Rest geht in glucksendes Gelächter unter. Pf, du Kackpfosten, Dark Vader ist empört, Gulasch oder Bull Wash ist doch total egal. Beanie lacht so laut, dass ihm die Milch aus der Nase schießt. Nee, brüllt er, es heißt Ball Rush. Sag ich doch, sagt Dark Vader würdevoll, lass dir mal von Elly die Ohren freigraben. Pffffffrrrfffffrrff, stimmt das Baby zu und stopft sich bei der unbeobachteten Gelegenheit ein Stück Pizza oben in den Schlafanzug. Sollen wir morgen in den Zoo, frage ich ? Der Ire muss arbeiten, damit wir Popel-Spinatstinki-alte Salat-Fliesen kaufen können - aber ich hätte Zeit.

 

Hatte ich schon erwähnt, dass ich nie genug Zeit habe? Für Ausflüge allein mit vier Kindern allerdings habe ich immer eine Menge Zeit. (Lieber Ire, denk an mein Mausoleum, bitte). Der Sydney Zoo ist wunderschön, riesig und mit viel Respekt für Tiere, die einen nicht trist anstarren, sondern eben in ihren Rückzugsmöglichkeiten sind, wenn sie aufs Angestarrt werden keine Lust haben. Wir sind alle guter Laune bis wir zu einer Fotowand kommen, auf der man duch ein Loch schauen kann und es dann von vorne so aussieht, als sei man ein Koala. Sehr lustig! Elly schaut durch. Ich bin angemessen begeistert und mache Ah und Oh. Dann allerdings weigert sich Elly, den Fotorahmen wieder zu verlassen. Das Mädchen hinter ihm zieht ihn am T-Shirt, denn die Eltern haben schon die Kamera im Anschlag. Elly aber bewegt sich nicht. Das Mädchen zieht beherzter und Elly hält sich mit beiden Händen am Fotorahmen fest. Elly, komm schon, lass los, wir gehen Koalas anschauen. Ich locke ihn. Elly löst zwar weisungsgemäß die Hände von der Pressspanwand, hält sich nun aber mit der Oberlippe am Fotoausschnitt fest. Darauf muss man erstmal kommen. Der Elly kommt nicht, stellt Dark Vader fest. Ach so, sage ich, naja. Mittlerweile plärrt das Mädchen hinter Elly lautstark und zerrt am T-Shirt des kleinen Jungen, der hartnäckig die Wand anlippelt. Ich kauf Dir eine Koalamütze, Elly! Kostenintensive Bestechungen sind zwar nicht in meinem Küchenbudget vorgesehen, aber sonst wird man Kind und Fotowand für den Rest des Tages nicht voneinander lösen können. Innerhalb von 0.2 Sekunden steht ein strahlendes Kind mit leicht geschwollener Oberlippe neben mir. Für den Rest des Nachmittags fragen sich Beanie und ich, ob wohl die Tiere mehr Aufmerksamkeit kriegen, oder ein kleiner Junge mit pflasterverklebten Knien, der bei 25 Grad eine zu große Wollmütze in Koalaform auf dem Kopf trägt. Mit pinken Riesenbommeln als Ohren.

 

Ich mag euch, denke ich mir. Ich mag euch großohrige, schrullige, widerborstige und zartfühlende Gestalten. In drei Wochen ist Garage Sale, verkünde ich, wer braucht heute überhaupt noch Spielsachen, wenn man auch Shakery-Küchentüren haben kann! Auf geht's, ihr alten Stinker, für Abenteuer haben wir doch immer Zeit.