Irgendwann beginnt das Scheitern. Und wie bei den meisten richtig fiesen Sachen springt es einem nicht mit dem nackten Hintern ins Gesicht, sondern schleicht sich hinterrücks ins Leben. Dark "Zweiterster" Vader sitzt blass und durchscheinend beim Abendessen und zuckt auf den Grund angesprochen mit den schmalen Schultern. Was hat die denn? wundert sich Beanie, denn normalerweise kann Dark Vader vor lauter Reden kaum essen. Da rollen aber schon die ersten Tränen über die Kind-Wangen. Ich bin immer so alleine in der Mittagspause, schnieft sie. Bitte? Ich muss mich wohl verhört haben, denn Dark Vader ist der ungekrönte Sozial-König unserer Familie. Keiner spielt mit mir und wenn ich irgendwo mitmachen will, gehen sie weg oder sagen, dass sie zum Spielen keinen mehr brauchen. Und dann, Vaderchen, was ist dann? frage ich und sehe mich innerlich schon mit dem Flammenwerfer über den Schulhof marschieren. Miese Bande, blöde Kinder, armes Vaderchen! Dann sitze ich alleine da und mampfe mein Essen, damit du daheim nicht schimpfst, weil wieder die Mango übrig geblieben ist. Das Kind ist verzweifelt und selbst die sonst schwer aus der Ruhe zu bringende Mimimi hört auf zu kauen und schaut zu Dark Vader rüber. Ich geh nicht mehr in die Schule, erklärt das Mädchen, das war's!
Und als wäre Scheitern ansteckend, geht es bei Beanie weiter: er vergisst Hausaufgaben, verliert seine Lunchbox, der Pausenhof-Spiel-Flummi wird ihm abgenommen und er versaut die erste Mathearbeit seines Schullebens. Dann bewirbt er sich um die Aufnahme in einem lokalen Fußballteam und übersteht die Vorrunde des Auswahlverfahrens nicht. Da reicht es. Tut mir leid, Mama, sagt das Kind und man sieht, dass selbst Weinen der großen Verzweiflung nicht abhelfen würde. Nichts muss dir leidtun, erkläre ich, man muss sein Bestes geben, dann interessiert das Ergebnis keine Sau. Manchmal klappt es nicht, manchmal reicht es nicht und manchmal hat man Pech - ist dann eben so. Abends sitzen wir auf dem pinken Lesesofa, das aussieht wie ein Cadillac und überlegen, was man tun kann. Das war's, sagt Beanie, ich gehe zur Oma und wohne da. Hier ist es Mist! Manchmal tut das im Leben weh, erkläre ich und denke mir, dass man den weisen Gesichtsausdruck besser vorher alleine auf dem Klo üben sollte, möchte man nicht lächerlich aussehen. Geglaubt hat mir trotzdem keiner.
In der Woche drauf erwischt es den Iren, der - wie er mir an dieser Stelle sicherlich glaubhaft versichern würde - natürlich nicht heult. Sondern einfach ganz normal von der Arbeit, der Renovierung, meinem Studium, den Kindern, dem Haus, dem ganzen alltäglich Scheiß unter Wasser gedrückt wird. Riptide, nennt man das hier. Und sollte eigentlich eine von zwei Strategien anwenden: seitlich aus der Strömung schwimmen oder mit den Armen gen Strand wedeln und somit Not signalisieren. Der Ire wedelt aber nicht und seitlich wegtauchen kann er auch nicht. Bleib ruhig, will ich noch rufen und: Gib dein Bestes, dann ist der Rest auch egal. Aber da hat ihn die Strömung weggerissen. So ist das, wenn man was ausprobiert, versuche ich mich zu beruhigen. Man weiß dann vorher nicht immer, wie das so wird. Und vielleicht muss man ein paar Sachen ausprobieren, bis es so richtig klappt. Ich finde mich sehr weise, fast schon Yoda-esque.
Da falle ich mit Vollgas durch meine Bioscience-Prüfung. Trotz Lernen, Mühen, meinem Besten und dem ganzen anderen Scheiß. Nachts kann ich nicht schlafen, weil mich der Gedanke, ein Semester wiederholen zu müssen, es nicht geschafft zu haben, eingestehen zu müssen, wie fies und demütigend und beschissen das jetzt ist, wie ein mieser Nachtmar auf der Brust sitzt. Und ich denke an Donald Duck, dem ich mich von allen Kunstgestalten am meisten verbunden fühle und der mich immer daran erinnert, dass man Scheitern nicht mit Grazie und Demütigkeit annehmen muss. Sondern eben auch mal randalieren und sich die Matrosenmütze in den Schnabel stopfen kann vor Zorn, ist dann auch ok. Irgendwann schlafe ich dann trotzdem ein und träume von einer Badewanne voller Nimm2, Kohlrabi, Essiggurken und Reiswaffeln.