Dark Vader, ihr Papa und ich sitzen gemeinsam und trinken heiße Schokolade. Die Geschwister randalieren gerade irgendwo anders und das Leben ist eigentlich ziemlich in Ordnung. Der Papa von Dark Vader und ich unterhalten uns über Sachen, über die sich Erwachsene unterhalten, wenn sie irgendwo sitzen und gerade niemand unmittelbar was von ihnen will: Südseeinseln, Baumhäuser, Steuererklärungen und so.
"Ich will nicht Moanmoannoanman." verkündet Dark Vader völlig unerwartet. Tatsächlich hatten wir kurz vergessen, dass es die ja auch noch mit am Tisch gab. "Häh?" frage ich, trete mir selbst gegen das Schienbein, weil man ja nun nicht "Häh?" sagen soll und krame gleichzeitig in meinem Gedächtnis, was wir denn nun gerade gesagt haben.
Dark Vader wird ungeduldig: "Was auch immer ihr gerade gesagt habt, ich will es nicht."
Der Papa von ihr und ich sind erstmal belustigt und fühlen uns dann seltsam beklemmt. Dark Vader singt "Tralalalalaalalaaaa" und hüpft davon, wahrscheinlich auf der Suche nach dem randalierenden Rest ihrer Meute.
Rebellion ist ein Kernelement jeder Eltern-Kind-Beziehung und zwar quer durch alle Altersklassen. Dafür muss mir Dark Vader nicht erst meinen Benz kurzschliessen und gegen eine Garagenmauer fahren. Mal abgesehen davon, dass wir keinen Benz haben und man diese ganzen hochelektronisierten Autos nicht einfach mal eben so kurzschließen kann. Für diese Erkenntnis brauche ich nicht mal Jesper Juul zu bemühen, denn sie liegt in der Luft, wenn ich mir meine Kinder anschaue. Sie sind physisch klein, meine Liebe zu ihnen dagegen unermesslich groß und genauso groß ist das Regelwerk, mit dem sie auf die Welt losgelassen werden: Eltern, Schulsystem, Gesellschaft, peers .. jeder will was von einem und jeder meint, die eigenen Regeln seien die Überlebensnotwendigen. Rebellion ist da keine zwingende Ablehnung meiner Person - wohl aber diesem ganzen wohlgemeinten Regelwerk und auch den damit verbundenen Erwartungen, für die ich stehe. Das gefällt mir nicht, gehört aber zu meiner Jobbeschreibung.
Abends bastelt mir Dark Vader ein Übernachtungsticket - falls ich nachts mal Angst haben sollte, könne ich gerne zu ihr ins Bett kommen und dann das Ticket einlösen. Ich bedanke mich und lege das Ticket neben mein Bett. Abends sitze ich oben auf der Couch und denke über den Tag nach. Von unten ruft Dark Vader: "Mammaaaaaa, und - hast Du schon Angst?". Ein bißchen, denke ich - sage es ihr aber nicht.
