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Permakultur

von Edda

Permakultur, erkläre ich dem Iren, ist, was ich will. Nun muss man einschränkend sagen, dass ich ständig irgendwas will - weswegen ich mangelnde spontane Hellhörigkeit nicht verüble. Wir stehen im Garten und betrachten zum tausendsten Mal die hässlichen Betonplatten, die ein Drittel unseres parkähnlichen Gartens verschandeln. Sherlock Eckhardt hat zwar herausgefunden, dass hier irgendwann mal ein Schuppen stand, der ist aber leider vom Erdboden verschwunden und hat uns seine potthässlichen Überreste vererbt. Ich schlussfolgere, Dr. Holmes, erkläre ich dem Iren, dass wir diesen Beton loswerden müssen. Da ich leider keine Pfeife rauche, stecke ich mir eine Stricknadel in den Mund, die zufällig noch aus meiner Tasche ragt. Abreissen, Erde aufschütten und dann: Permakultur. Und Kräuterspirale. Und weil Dr. Holmes natürlich wie immer keinerlei Durchblick hat, doziere ich weiter. Permakultur bedeutet, dass wir keine jährliche Neubepflanzung mit Nutzpflanzen vornehmen, sondern eine Mischung aus möglichst Langlebigem pflanzen. Gestaltet wird in Zonen, wobei vom Haus am Weitesten entfernt ist, was am wenigsten Zugang benötigt. Und vorne, da, genau, daaaa, zeige ich auf ein Stück besonders runtergekommen aussehenden Beton, kommt meine Kräuterspirale hin. In welche permakulturelle Zone wird man gepflanzt, wenn man möglichst wenig mit Garten zu tun haben will, fragt der Ire. In den Keller, erkläre ich würdevoll. Ich habe mir schon ein Bunnings-Video angeschaut und ich kann die Betonplatten selbst abreißen, ist überhaupt kein Problem. Bunnings ist der australische Baumarkt-Riese und dessen DIY-Videos gehören zum australischen Kulturgut. Leider sieht man immer muskulöse Männer in sauberen T-Shirts, die einem lächelnd erklären, wie das alles super easy und smooth sailing ist. Habe ich mir allerdings den empfohlenen Presslufthammer mal ausgeliehen, ist zwar nicht Polen offen, dafür aber ein großes Loch in der Abwasserleitung. Oder so. Ich bin für Vollbetonierung, sagt da der Ire, alles zubetonieren und dann könnten wir Parkplätze vermieten. Während sich der Ire offensichtlich schon über den zu erwartenden Reichtum freut, robben zwei völlig verdreckte Kinder von rechts aus dem Gebüsch kommend in unser Blickfeld und verschwinden dann irgendwo links unter dem Frangipanibaum. Los, Elly, Notoperation, hört man Dark Vaders durchdringende Stimme befehlen. Lasst die Regenwürmer in Ruhe, rufe ich in den Garten, die brauche ich noch für meine Kräuterspirale. Wird alles zubetoniert, wiederholt der Ire mit einer Seelenruhe, die ich mir bei ihm zur abendlichen Kinder-Badewanne-Stunde nur wünschen kann. Papa will den Garten zubetonieren lassen, petze ich in den Garten hinein und verfehle damit nicht die gewünscht Wirkung. Wie ein Stollentroll kommt Dark Vader aus dem Gebüsch geschossen. Was, kreischsägt sie und die wilden Cockatoos fliegen auf, meinen Garten etwa?!! Nun muss man über Dark Vader etwas wissen, wenn man sie noch nie gesehen hat. Dark Vader ist nämlich der kindgewordene Traum vieler älteren Damen im Supermarkt: blonde Feenhaare, meerblaue Augen und weiße Porzellanhaut, feingliedrig und immer säuberlich dreinblickend. Man kommt schlicht und ergreifend nicht auf den Gedanken, dass sie ein totaler Säunickel (so nennt man das in Hessen) ist, ein Schmierfink schlimmster Sorte. Lässt Dark Vader ein Kieselchen fallen, landet das bestimmt zufällig in einer großen Pfütze, die daraufhin über ihre Schuhe schwappt und wenn sie dann einen Schritt zur Seite geht, fällt der Baum hinter ihr um. So in der Art. Dark Vader zieht eine Schneise der völligen Verwüstung hinter sich her, man sollte sie eigentlich bei Bunnings als Abrissbirne vermieten. Könnte ich dem Iren vielleicht mal als alternative Einkunftsquelle vorschlagen. Nee, Schatz, beruhige ich die Amazonenkönigin, der Papa macht nur Witze. Beton, sagt der Ire verträumt, und nie wieder Rasenmähen. Weiterspielen, brüllt jetzt eine kleine Fee im Tüllrock aus dem Gestrüpp, ich hielt den Stiel des Besens und du sagtest zu mir, ich möge losfliegen. Elly ist das einzige vierjährige Kind, das zwar niemals in Deutschland gelebt hat, dafür aber den Fortbestand des Genitivs sichert. Ok, Aufsteigen und Los, ruft Dark Vader, woraufhin sie und die kleine Fee auf einen Besen springen und durch den Garten rennen. Mein Küchenbesen, rufe ich hinterher, lasst doch bitte endlich mal meinen Küchenbesen in Ruhe. Hallo, fummelt sich Mimimi mit Klebhänden an meinem Hosenbein entlang. Hallo Schatz, sage ich, aber das Mini-Mädchen unterbricht mich: Call me Honey! fordert sie. Himmel, sage ich zum Iren, du wolltest immer Mädchen. Jetzt siehst du aber bitte auch zu, wie du mit den ganzen Weibern klarkommst. Begeistert schaue ich zu Beanie, der friedlich seinen Fußball vor sich hinkickt. Morgen müssen die wieder in die Schule, erinnere ich und obwohl man sonst manchmal den Eindruck hat, dass es ohne Megafon in unserem Haus eigentlich nicht geht, ist es plötzlich still im Garten. Beanie lässt seine Schultern nach vorne fallen. Aus den fliegenden Hexen werden zwei sehr dreckige Kinder, die sehr betroffen schauen. Nur Mimimi, ach nein: Honey, ist positiv unbeteiligt und watschelt in den Glitzersandalen aus der Verkleidungskiste in Richtung Trampolin. Springen, erklärt sie sich selbst. Müssen wir? fragt Dark Vader. Ich gehe nicht, murmelt Beanie. Ich hatte mich gerade so schön eingewöhnt, doziert Elly. SPRINGEN, röhrt Mimimi und erinnert mich daran, dass das Temperament in meiner Truppe aus unerfindlichen Gründen verteilt ist, wie es nunmal verteilt ist. Es geht jetzt eben wieder los, antworte ich. Alle Kinder gehen morgen wieder zurück. Was alle machen, müssen wir noch lange nicht, stellt Dark Vader fest, sagst du doch auch immer. In diesem Fall schon, stelle ich fest und mein Herz wird schwer. Zugegebenermaßen fand ich den Gedanken an homeschooling grässlich. Was bei uns zwei Monate lang dazu geführt hat, dass wir mehr oder weniger schnell unseren Schulkram abgeliefert haben (oder auch nicht) und dann den Rest des Tages für Dinge genutzt haben, die schön sind. Im Garten sein, Bücher vorlesen, Lego bauen - es war wie monatelange Sommerferien, nur, dass man nichts unternehmen musste, weil man ohnehin nirgendwohin konnte. Wir waren so beschäftigt, dass wir ganz vergessen haben, uns zu langweilen. Unser Garten war mal Feenreich, Fußballstadion, Blocksberg oder die Antarktis. Und mittendrin ich und das winzige Baby als Zeitzeugen, die eigentlich nur gebraucht wurden, wenn mal Essen ins Getümmel geschmissen werden sollte. Am nächsten Tag macht sich meine Herde zum Abmarsch bereit. Beanie weint. Ich will nicht von daheim weg, Mama! Das wird schon, Schatz, sage ich. Dark Vader zerrt an der Schuluniform. War die schon immer so blöd, Mama? Wahrscheinlich schon, Süße, sage ich, du hast übrigens den Pulli verkehrt herum an und die Unterhose über der Strumpfhose. Was wirst du den ganzen Tag gemacht haben, fragt Elly. Ich werde euch vermisst haben, antworte ich ihm. Tschüss, sage ich, als drei kleine Gestalten aufbrechen. Auf der anderen Straßenseite warten die Nachbarskinder, die auch aussehen, als hätte man sie verkleidet. My bum is all wrong, ruft das Nachbarsmädchen über die Straße. Ich winke ihnen und bin froh, dass sie da sind. Goodbye, Kinder - hello, school. Wehe, du bist nicht lieb zu meinen Kindern, ich schüttle die imaginären Fäuste Richtung Schulgelände, dann komme ich mit dem Presslufthammer!