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Pastellblümchen und Klöppeldecke

Von Irina

Ich trinke den letzten Schluck Kaffee und schaue mich um. Die Wohnung sieht tippi-toppi aus. Auf der Anrichte in der Küche noch ein paar Spinatreste von meinem carb-freien Morgen-Smoothie und das Frühstück für die Kleinen. Mit ein bisschen Einfallsreichtum merken die Kinder gar nicht, dass sie komplett zuckerfrei leben. Schnell noch eine kleine Möhrenblume geschnitzt, alles in die Kinderrucksäcke und los geht’s zur Kita. Meine Kinder murren nicht, wenn sie dahin müssen. Wieso auch? Acht Stunden spielen, dann werden sie ja wieder abgeholt. Der reinste Spaziergang. Rucksäcke aufhängen, Küsschen hier, Schmatzer da und die Tür geht hinter mir zu.

 

Der Blick auf die Uhr sagt, dass ich noch zwanzig Minuten Puffer habe. Ich schnalle die Joggingschuhe fester und renne los. In den leuchtend bunten Yogaklamotten bin ich weithin zu sehen. Während ich laufe, rattern im Hirn schon die To-do’s für den Tag und die Woche. Mein Herz schlägt dabei kein Stück schneller. Es ist schließlich alles auf Spur.

 

Zu Hause schnell unter die Dusche gesprungen, hübsch gemacht und dann ab zur Arbeit. Wenn ich die durchziehe, ohne Pause zu machen, kann ich noch in die Stadt, was erledigen und einen weiteren Punkt auf der Liste abhaken. Ah, fast hätte ich vergessen, das Abendessen aufzutauen. Bei uns gibt’s nur Selbstgekochtes – warum sollen die Kinder leiden für die Selbstverwirklichung der Mutter? Eine Handvoll Mandeln in den Mund – seitdem ich auf no carb umgestellt habe, ist mir manchmal etwas schwindelig – und ich starte frisch in den Tag.

 

Nachmittags bin ich beschwingt von der Arbeit. Ich habe es geschafft, neben dem exzellenten Job, den ich mache, noch ein Extraprojekt durchzubekommen. Die Kollegen haben mich zwar schief angesehen, aber schließlich will ich nicht als Schlunzmutti gelten, die keinen eigenen Input mehr beiträgt.

 

Ich lasse die Tüten fallen und denke über eine kurze Kaffeepause nach. Koffeinfreier Latte mit Sojamilch, hmmm. Und ich darf meine Eiweißzufuhr nicht aus dem Blick verlieren. Doch dann ploppt die Erinnerung an den Geburtstag von Kind A auf. Nur noch sechs Wochen. Und ich habe erst 32 Blumen gefaltet und die Tischdecke nicht weitergestickt. Ok, der Latte fällt aus. Ein Hauch von Spannungskopfschmerz kommt auf, aber den kann ich wegatmen – ich aaaatme eiiiiiiiiin … und auuuuuuuuus. Puh, besser. Das war ja knapp. Bloß keinen Leerlauf aufkommen lassen. Ich habe zwar Zeit für alles, aber keine Sekunde für einen freien Gedanken. Wer weiß, was da rauskommt, wenn so ein Geist mal ins Galoppieren kommt. Wo der dann hinrennt. Das letzte Mal war es schwer, den wieder einzufangen. Nee, das machen wir nicht. Schön hiergeblieben und Pastellblümchen falten, eins nach dem anderen, Kopfschmerzen einfach wegatmen und schon ist wieder alles gut.