Return to site

In der Fremde

von Edda

"Wo wohnen wir eigentlich?" fragt Dark Vader, die ja bekanntlich bei Lieblingsort immer "Hasiland" in Freundschaftsbücher einträgt und der Meinung ist, Oma sei die Königin von Deutschland.
Jetzt könnte man die Frage als übliche Tagträumerei abtun, die ja durchaus skurrile Blüten tragen kann und einen Kindergartenweg von unter 1 km in eine fünfzig-Minuten-Odyssee verwandelt, auf der man nicht nur die Zeit aus dem Auge verliert, sondern auch die Lunchbox, alle Haargummis, Mama's Nerven und einen Socken.

Dark Vader hat ein nationales Identitätsproblem - denn wer weiß schon, woher man kommt, wenn man irgendwo geboren ist, aber Familie woanders hat, zu hause andere Sprachen spricht und ständig gefragt wird, wo man denn gerne mal leben möchte. Ich fasse zusammen: Wir sind eine zwei Nationalitäten-Familie, die aber die Staatsangehörigkeit des Landes haben, in dem wir leben, aus dem aber keines der Elternteile kommt. Allerdings ist auch der Ire nicht in Irland geboren, hat also noch eine andere Staatszugehörigkeit, die ebenfalls auf die Kinder übertragen worden ist. Was also sind diese Kinder? Deutsche - nie da gelebt, gibt's da auch was anderes als Schwalbach und die Nordsee. Iren - nie da gelebt, hat aber tolles Cousin & Cousinenpotential. Briten - bitte??? Schweizer - hier geboren und sozialisiert und trotzdem irgendwie nicht, denn uns als Eltern fehlt das Kulturgut, in das wir unsere Kinder einpflanzen könnten. Und in dessen Umfeld aus Staatsbürgerschaft dann auch wirklich eine nationale Identität wird im Guten wie im Schlechten. Wir sind eben Ausländer und das nicht nur hier, sondern mittlerweile auch in den Ländern, aus denen wir kommen. Weil wir schon zu lange weg sind und irgendwann verpasst haben, dass der Rewe jetzt woanders ist. Und dann mit Träne im Knopfloch vor dem geräumten Gebäude stehen.


Dark Vader fragt sich also nicht so sehr, wo sie lebt. Sie will wissen, aus welchem Land sie eigentlich kommt. Und ich kann es ihr nicht erklären. Ich könnte ihr erklären, dass ihr Vater und ich überzeugte Europäer sind (wobei das natürlich paradox ist, wenn man in der Schweiz lebt). Ich könnte ihr versichern, dass es uns als Eltern ein Anliegen ist, dass sie sich irgendwann den Platz zum Leben aussucht, der für sie richtig ist. Dass es nicht wichtig ist, woher sie kommt, sondern, wie sie den Platz füllt, an dem sie steht. Aber ich weiß natürlich, dass das privilegierter Quatsch ist, weil es leider eben doch drauf ankommt, woher man kommt - gerade als Ausländer.
Was also sage ich dem Kind?


Hier also, mein Schatz, kommt meine Antwort und die kannst Du dann lesen, wenn Du älter bist und Hasiland irgendwann vielleicht nicht mehr als Lieblingsort ausreicht:
Wohin Du Dich zugehörig fühlst wird ganz stark davon abhängen, wo Dein Herz hinschlägt. Und das wird sich wahrscheinlich auch immer mal ändern. Als kleines Mädchen hast Du im Vorfeld zur Fußballweltmeisterschaft mal gesagt, dass es doch schön wäre, wenn immer alle gewinnen könnten. Und wir finden, dass Du verdammt recht damit hast. Es wäre schön, wenn immer alle gewinnen könnten. Herkunft ist nicht gleich Staatszugehörigkeit ist nicht gleich Daheim. Und wir wären sehr glückliche und stolze Eltern, wenn Du irgendwann auf die Frage woher Du kommst einfach antwortest: Von Daheim.