Vor Jahren las ich einmal im Börsenblatt, dass eine Berliner Buchhandlung ihre Bücher per Fahrrad ausliefert. Mittlerweile ist es normal, dass auch große Ketten mit Fahrradkurier und in weitaus größerem Stil liefern. Damals jedoch fand ich die Idee so verblüffend einfach, dass ich immer wieder darüber nachdachte.
Man bestellt nur dort, wo geliefert wird, in seinem Stadtteil oder in seiner Region. Wie bei einem Pizzadienst, bei dem auch niemand auf die Idee käme, in Hamburg zu bestellen und sie in Frankfurt essen zu wollen. Natürlich hinkt der Vergleich, denn Pizza wird kalt und schlecht. Aber es ist schon fraglich, warum wir eigentlich unsere Bücher etwa globalen Branchenriesen bestellen und nicht bei unserem Buchhändler um die Ecke. Die Antwort lautet: Weil es so einfach ist.
Es ist ja so: Wir Kunden wollen schnell und unkompliziert einkaufen, am liebsten auch noch günstig. Daran knüpft Amazon, das ist seine große Stärke. Was Amazon bietet, ist Einfachheit: Die Onlinebestellung funktioniert selbst für Technikidioten völlig unproblematisch, das Bezahlen ist einfach, der Service transparent. Man kann seine Ware problemlos zurückgeben, ohne Lamento und schiefe Blicke.
Doch Amazon kann nicht alles – und will es auch nicht. Man kann sich dort nicht gut über Bücher informieren, sich nicht inspirieren lassen, sondern bestellt dort genau die Bücher, von denen man weiß, dass man sie will und das war’s.
Die Chance des Buchhandels liegt darin, ebenso wie Amazon unsere Instinkte anzusprechen. Er muss sich darauf besinnen, was er kann und wie er die Bedürfnisse seiner Kunden befriedigen kann. Das funktioniert nicht über verkopfte Konstrukte, die auf falschen Annahmen basieren, oder auf der Hoffnung, Idealismus werde die Branche schon retten. Damit allein wird der stationäre Buchhandel nicht überleben.
Kunden wollen Mehrwert. Sie wollen schnell und unkompliziert konsumieren, möchten aber darüber hinaus noch weitere Bedürfnisse befriedigen. Womit wir wieder beim Beispiel mit dem Fahrrad wären. Denn das gibt neben der schnellen Lieferung und dem besonderen Service noch das gute Gefühl, etwas für die Umwelt und den eigenen Stadtteil getan zu haben.
Das ist der Grund, warum die Idee so im Kopf hängenbleibt. Sie ist genauso simpel wie wirksam und zeigt die Richtung auf, in die der Buchhandel gehen muss. Erlebnisse, wie ihn der Buchhandel durch Lesungen, Kochkurse, gemütliche Leseecken mit Sessel und Kaffeebar schon lange generiert, um der Entwicklung des Marktes etwas entgegenzusetzen, sind gut, reichen aber nicht aus. Sie sind zu kurz gegriffen, weil sie nicht genug Mehrwert enthalten.
Warum nicht bei Buchkäufen die Summe aufrunden für einen guten Zweck, wie H&M das macht? Nur, dass das Geld nicht einem Kinderhilfswerk zugute kommt, sondern der Buchhandlung. Der Kunde könnte sich freuen, wenn er sieht, wie es investiert wurde.
Oder eine Bonuskarte einführen, bei der er nach zehn Buchkäufen einen Büchergutschein bekommt. Den kann er ganz normal einlösen, online oder im Laden, nur bei seiner Buchhandlung. Das macht jeder Bäcker so und es hebelt keine Buchpreisbindung aus.
Wer sich mehr für seine Buchhandlung engagieren möchte, könnte Mitglied werden, wie in anderen kulturellen Institutionen auch, und dafür einen exklusiven Service nutzen. Etwa gegen einen kleinen Mitgliedsbeitrag pro Monat in einem Literaturzirkel mit einem Autor oder Literaturwissenschaftler über Bücher diskutieren. An einer Vortragreihe über Reisen teilnehmen oder einen Yogakurs machen – je nachdem, welchen Schwerpunkt die Buchhandlung hat.
Natürlich rettet das nicht die Welt vor Onlineriesen. Aber indem der stationäre Buchhandel großen Playern gewisse Felder überlässt und andere besetzt, schneidet er sich einen Teil vom Kuchen ab. Mit Pragmatismus und Schnelligkeit, gutem Service und einfachen Ideen. Er muss es uns leicht machen und sich auf seine Stärken besinnen. Denn die Digitalisierung ist nicht mehr abzuwenden und auch nicht der Konzentrationsprozess. Weder das Augenverschließen noch das Warten darauf, dass das Problem sich von selbst löst, hat etwas geändert, ganz im Gegenteil. Amazon & Co haben sich ihr Stück vom Kuchen längst abgeschnitten und es wird immer größer. Ideen müssen jetzt her, und zwar genauso simple wie wirksame.