"Mama, Dark Vader lässt mich nicht mitspielen."
"Mamaaaaa, jemand hat allen Legomenschen die Köpfe abgemacht und jetzt finde ich die nicht mehr."
"Niemand spielt mit mir."
"Ich kann das nicht."
"Ich will das nicht."
"Nein, mach ich nicht."
"Auaaaaaaaaaa. Mamaaaaaaaaaa, der hat mich an den Haaren gezogen."
"Geh weg."
"Lass mich."
"Nein, Mamaaaaa, da ist überall Nagellack."
"Du bist kein schöner Mensch."
"Ich mag dich nicht mehr."
Elly will nicht mehr Fahrrad fahren. Gerade noch hat er stundenlang beim Mutter-Kind-Treff gespielt und auf dem Heimweg ist die Luft raus. Aus uns beiden, ehrlich gesagt. Elly schiebt das Fahrrad mit dem Tempo einer Rennschnecke, ich schaue auf die Uhr. Gleich kommen die großen Kinder aus der Schule. Ich habe noch kein Mittagessen und keine Betten gemacht, die Rolläden im Kinderzimmer sind noch zu, der Müll muss raus, der Babybrei ist noch tiefgefroren, es warten eine Milliarde gemischte Mails auf Antwort, die Kleider sind seit gestern im Trockner, die Vögel haben den Balkon vollgeschissen und irgendwie löst sich der volle Wäschekorb auf der Treppe trotz hartnäckigem Warten nicht in Luft auf.
Ich will nicht mehr. Echt nicht. Elly allerdings auch nicht.
Er macht Wutgeräusche und sein ganzer kleiner Körper vulkanisiert gegen das Fahrradschieben, das Heimlaufen, mich, die Welt und sein Schicksal. Ich verliere die Geduld und mir wird ganz heiß. Die Kacksonne scheint auch noch so frech. Ich laufe schneller, lasse ich das Kind dann halt einfach unterwegs zurück. Irgendwer in diesem verschlafenen Dorf wird ihn schon finden. Elly wird hinter mir lauter. Er schmeißt zuerst sein Fahrrad hin, dann sich selbst. Ich atme und zähle bis drei und mache ganz kurz die Augen zu, die heute sowieso müde sind. Dann gehe ich zurück, halte Elly die Hand hin, sage, dass ich das Rad tragen kann und wir gemeinsam laufen können. Aber Elly will nicht. Und zwar gar nichts. Mich am Allerwenigsten. Er wälzt sich auf dem Boden, brüllt, den Kopf so rot wie die Tomaten, die ich seit Wochen pflanzen will.
Ich will gerne wegrennen. Einfach Kinderwagen, Kind, Fahrrad, Rucksack und diesen ganzen Mütter-Ballast hinschmeißen und aufhören, jeden Tag mein Bestes zu geben. Naja, jeden zweiten Tag. Die anderen Tage fallen eher in die Kategorie Schadensbegrenzung. Das Kind auf der Straße brüllt sich gerade ins Schreikoma und wahrscheinlich explodiert gleich sein Kopf.
Da nehme ich die Trinkflasche aus dem Kinderwagen, schraube sie auf und leere die ganzen
500 ml Trinkwasser über mein Kind.
Anschließend laufen wir stillschweigend nach hause. Elly schnieft leise und es tropft aus seinem Fahrradhelm.
Das hier ist kein Beitrag zur Debatte um Mütter, die lieber dann doch keine Kinder gekriegt hätten. Es ist aber auch keine Anekdote aus dem lustigen Alltag einer Großfamilie. Es soll ein Text über Erschöpfung sein. Darüber, dass es einsam ist, wenn einer wie am Spieß schreit und einer wartet, dass es irgendwie vorbeigeht. Darüber, dass Kinder oft fies sind und Erwachsene Fehler machen. Darüber, dass man als Elternteil oft so stark in Reaktionen verstrickt ist, dass man sich selber nicht mehr spürt. Und dabei wäre eigentlich genau das wichtig im Alltag mit Kindern. Denn die spüren einen, da besteht kein Zweifel.
Ich liebe meine Kinder, aber das Leben mit ihnen lässt mich manchmal zum Wasserwerfer werden.