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things

von Edda

Am laufenden Band gehen Sachen verloren. Ich habe keine Unterhosen mehr, stellt Beanie fest. Keine Ahnung, sage ich, zieh doch welche von Dark Vader an. Ja, sagt die begeistert, die mit den Rüschen sind doch so schön. Ja, aber, muffelt Beanie, wo sind denn die Unterhosen hingekommen? Ich weiß es nicht, entgegne ich genervt. Ich weiß nicht wo die Unterhosen sind - und auch nicht, wo die ganzen Schulsocken, die Legosteine, Elly's Autos, der Möhrenschäler, die Teddy-Kekse, die Tupperboxen und meine Kopfhörer hingekommen sind. Auf dem gemeinsamen Schulweg schaut Dark Vader begeistert auf den Hintern ihres Bruders: Du bist so schön in meinen Unterhosen! Es kneift, ist alles, was der dazu zu sagen hat. Kneifend ist unsere Lebenssituation insgesamt, wenn man mal ehrlich ist.

Wir haben nichts und davon zuviel - wenn das jetzt jemand verstehen kann. Wenn sich das Travelling Salesman Problem damit beschäftigt, willkürliche Punkte miteinander möglichst zeiteffektiv zu verbinden, dann haben wir es hier mit dem Changing Continent Phenomenon zu tun: wenig Zeug sorgt bei ungenügender Organisation für deutlich mehr Chaos, als mehr Zeug bei ausgereifter Struktur. Ich stehe vor einem Nervenzusammenbruch und das war, bevor ich festgestellt habe, dass Elly's Matratze schimmelt. Unsere Wochen implodieren: zwischen Beanie's und Dark Vader's Schultage bauen sich zunehmend Aktivitäten, die Kleinen starten in der Krippe, unsere Laufwege sitzen nicht, wir kommen zu spät, zu früh oder auch mal gar nicht.

Dann starten wir mit der Haussuche und wer mich in diesem Blog seit einiger Zeit begleitet, der weiß, dass dieses Thema nicht neu ist (nur schon mal auf einem anderen Kontinent stattgefunden hat). Wir starten so enthusiastisch, wie man es eben sein kann, wenn man gerade das eigene Leben einmal um den Globus verlegt hat, Kinder neu einschult, Kleinkinder betreut, nebenbei arbeitet und in der Freizeit Insekten bekämpft, die so groß sind wie ein Kleinkindarm inklusive Speckschicht. Yippieh war gestern, heute ist liegengelassene Sonnenbrille im gerade besichtigten Haus. Illusionen und Kakerlaken sterben bekanntlich zäh - trotzdem sind wir nach einem Besichtigungsmarathon von 13 Häusern an einem Samstag in Teams zu je einem Erwachsenen und zwei Kindern gelinde gesagt am Ende. Australische Immobilienmakler sind Photoshop-Profis und die hinterletzte Bruchbude sieht im Online-Inserat aus wie eine Deluxe-Ferienwohnung, in der man sich erholt, sobald man nur den Türgriff anfasst. Bei der Besichtigung eben dieses Prachtstücks schlägt Dark Vader und mir ein Geruch entgegen, als hätte man nasse Socken in einer Plastiktüte aufgehoben. Und zwar ein Jahr oder so. Und dann zwanzig von diesen Baum-Autobeduftern mit Kokosduft in dieselbe Tüte gestopft. Und sie uns anschließend über dem Kopf ausgeleert. Smells a bit damp, no? frage ich den freundlichen Immobilien-Heini in meiner unnachahmlich deutschen Art. No way, lächelt mich dieser lügnerische Kackvogel mit seinen weißen Zähnen an, that's the breeze coming from the sea!

Haben wir einen Fehler gemacht?, frage ich den Iren. Vielleicht schaffen wir das alles nicht. Nichts klappt und nichts fällt eben mal einfach so an den richtigen Platz. Wir rackern und rackern und schlafen schlecht, weil die Tage noch lange nach Einbruch der Dunkelheit in uns arbeiten. Du schaffst alles, sagt er und schaut mich an, als sei er sich da ganz sicher. Mach doch den Immobilienmaklern ein bißchen Angst, vielleicht zeigen sie dir zur Abwechslung dann mal ein paar schöne Häuser. Haha, sage ich und lache nicht. Genau, so musst du die anschauen - der Ire ist ein wahnsinnig witziger Zeitgenosse, wenn man mal von seiner Vorliebe für Knock Knock-jokes absieht - wenn dann die Hauswand noch nicht brennt, ist es double-brick.

Am nächsten Tag gehen wir zum Strand und wie es nach Mörderwochen ist, kann sich keiner entspannen. Also: keiner von den Großen. Beanie legt sich auf sein Boogieboard und schwimmt den Wellen entgegen. Dark Vader tanzt mit dem Meer und Elly steht mit seinem Wetsuit in der Brandung wie festgewachsen. Der Ire und das Baby versuchen in Teamarbeit ihre Speckfalten von Sand zu befreien. Wenn hier schon Matratzen schimmeln, dann tun es Babies wahrscheinlich erst recht. Mir ist es zu heiß, der Strand ist zu sandig, die Leute nerven und ich muß mich auf mein heißgeliebtes Meer konzentrieren, um Seelenfrieden zu finden. Da schreit der Ire. Während ich zum Meer renne, weiß ich, dass es jetzt passiert ist: Quallenkontakt, Haiattacke, Seespinnen. Ich suche das Wasser um die beiden nach Blut ab, nehmen das schreiende Baby auf den Arm und versuche einzuschätzen, was hier passiert ist. Der Ire steht im Meer und zittert. Mein Ring, sagt er und weint. Später erzählt er, dass beim Abwaschen des Babies sein Ehering vom Finger gerutscht und ins Wasser gefallen ist. Das Baby konnte er nicht fallenlassen. Dann kam die nächste Welle und mit ihr der Sand. Wir stehen fassunglos im Sonnenschein am Strand und denken beide an zehn Jahre des ununterbrochenen Ringtragens. Am Anfang suchen wir noch die Brandung ab, Beanie kommt und hilft, Dark Vader weint, fremde Menschen bieten ihre Unterstützung an, aber man kann ihren Gesichtern ansehen, dass hier alles zu spät ist. Das Meer hat sich den Ring längst geholt. Dann geben wir auf. The things we lost in the fire, denke ich und weine.