Dark Vader juckt es. Wo denn, Schatz, frage ich mitfühlend und möchte jeden Körperteil hören, außer Kopf und Popo. Am Popo sagt sie dann auch prompt. Würmer, denke ich, als ob es in Australien nicht genug Viehzeug gibt, das einem den Tag vermiesen kann. Die blöden Würmer hätten auch gemeinsam mit den verschissenen Kopfläusen in Europa bleiben können, oder? Ich geh dann mal die Betten abziehen, verkünde ich fröhlich. Man könnte mich problemlos für das Krisenmanagement in jedem Robinson Club einstellen, wenn es um Leben & Tod geht oder die Pommes am Buffet weg sind und Nachschub nicht in Sicht ist. Also wasche ich viermal Kinderbettzeug und die Betten der Großen aus Solidarität gleich mit. Und dann setzen wir uns ins Auto Richtung Arzt. In der Schweiz ist es nämlich so, dass jeder juckende Kinderhintern erstmal dem Kinderarzt unter die Nase gehalten werden muss, der macht dann einen Abstrich, betrachtet die bestimmt ungemein spannenden Errungenschaften unterm Mikroskop und verschreibt dann ein Medikament. In Australien haben wir noch keinen guten Kinderarzt gefunden und gehen deswegen zum Arzt vor Ort. Dort warten wir lange und als wir endlich dran sind, füllen wir in voller Kind-plus-Mama-Stärke das gesamte Behandlungszimmer. Dark Vader juckt es am Popo verkündige ich selbstsicher. Die Ärztin schaut mich misstrauisch an: "worms." antwortet sie mir nicht weniger selbstsicher. Jahaaaa, sage ich und lasse anklingen, dass ich durchaus nicht unerfahren sei. Ob ich denn das Medikament gegen Würmer schon gegeben hätte? Nee, sage ich, man müsse doch erstmal nachschauen lassen. In australischen Ärztezimmern gibt es keine Spielsachen, Mimimi wühlt sich also aus Langeweile durch den Papiermüll der Ärztin und bügelt mit den Speckhänden Blätter. Die Ärztin versucht, ihr passiv-agressiv die Blätter zu entwinden, während sie sich Mühe gibt, nicht so auszusehen, als halte sie Kinder für die wurmverseuchte Pockenpest, die sie ja tatsächlich auch sein können. Nur sollten Eltern und Kinderärzte diese Einstellung vielleicht nicht unbedingt zur Schau tragen, denke ich. Und tue so, als würde ich nicht sehen, wie meine einjährige Tochter knurrend mit der Kinderärztin Papier-Tauziehen veranstaltet. In Australien würde man da nicht nachschauen, die Ärztin ist entnervt, es sei ohnehin in 95 % der Fälle Wurmbefall. Dark Vader möchte wissen, ob man die Würmer hinterher behalten könne und ob sie eventuell in unsere Kompost-Wurmfarm umgesiedelt werden könnten. Ich gratuliere meinem Kind zu ihrem Nachhaltigkeitstalent, sage aber, dass das nicht die richtigen Würmer seien. Schade, sagt Dark Vader und lässt schonmal die Hosen runter, denn nun soll ja der Popo angeschaut werden. Dachten wir zumindest. "Put your pants back on!" die Ärztin ist entgeistert. Ja, aber, versuche ich zu argumentieren, man müsse doch ausschliessen, ob es sich hier nicht um die verbleibenden 5 % handele und man etwas medikamentös therapiert, was gar nicht da ist. Jetzt hat die Ärztin von uns die Nase voll: Man würde das ja merken, wenn das Jucken trotz Medikament bleibt. Ich gehe in Kampfstellung. Ach so, sage ich, ich soll meinem Kind also Medikamente für etwas geben, was sie vielleicht gar nicht habe, damit man hinterher rausfinden kann, ob es das vielleicht dann doch war. Die Ärztin seufzt schwer und wünscht mir eine ganze Wurmsippe an den Hintern. Dass ich die wahrscheinlich ohnehin schon habe, weil ja Würmer gerne familienintern vererbt werden, wird ihr wahrscheinlich kein Trost sein. Dann leg dich halt dahin, befielt sie Dark Vader, die ihre Hose ohnehin nicht wieder hochgezogen hat, sondern verträumt am Papier der Liege knibbelt. Sie zieht Gummihandschuhe an - und hinter sich und Vaderchen den Vorhang zu, der um die Arztliege herum angebracht ist. Elly findet das offensichtlich schlimm, denn die Frau könne ja jetzt alles mögliche mit Dark Vader veranstalten. Also zieht er den Vorhang wieder zurück. Aber nicht mit der Ärztin! Sie hält den Vorhang nämlich eisern fest. Was das solle, frage ich, mittlerweile mit deutlich schlechterer Laune. Kinder dürften bei solchen Untersuchungen nicht zuschauen, erklärt sie mir bissig, man wisse ja genau, dass sie das sonst zuhause aneinander nachahmen würden. Doktorspiele und so, sie räuspert sich. Elly ist irritiert und fängt an zu weinen. Mimimi schleudert währenddessen begeistert Papierfetzen durch das Arztzimmer, "Stinki" jubiliert sie. Beanie schaut von seinem Buch hoch und seufzt. Das sei ja das Allerblödeste, was ich je gehört habe, erkläre ich diplomatisch, wie es so meine Art ist und sehe gerade noch, wie die Ärztin mit abgewandtem Kopf und unter maximalem Einsatz eines Auges den Popo meiner Tochter betrachtet. "Worms", sagt sie und zieht schnappend die Gummihandschuhe aus. Ob sie das denn mit bloßem Auge beurteilen könne, frage ich. Wer denn hier die Ärztin sei, fragt sie zurück. Uns reicht es, ich bitte Dark Vader, ihre Hose anzuziehen und dann gehen wir einfach. Was er denn zuhause nicht machen solle, fragt Elly. Doktor spielen, sage ich, wobei das alles haarsträubender Schwachsinn sei und er sich nicht um die Idiotie mancher Menschen kümmern müsse. Elly versteht nur Bahnhof, er und Dark Vader spielen nie Doktor, sie spielen immer Petronella Apfelmus, erklärt er mir. Er sei die Fee und ob er jetzt nie wieder nackt rumlaufen dürfe. Genau, sagt Beanie und grinst. Nein, sage ich, hier seien Sachen einfach anders und man müsse das jetzt mal so hinnehmen. Und sich einen neuen Kinderarzt suchen, füge ich im Stillen hinzu. Abends sind alle sehr still. Warum es woanders immer so anders sein müsse, will Dark Vader wissen. Kann es woanders nicht so sein wie daheim? Nein, sage ich, wir finden unseren Weg noch. Aber ich liege abends noch lange wach.