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Papego und die Rettung des Abendlandes

von Irina Kessler

Das E-Book ist ja eine tolle Erfindung. Ebenso wie das gedruckte Buch kann man es überallhin mitnehmen, man kann es im Bett neben schlafenden Kindern auf dem Handy lesen und später im Wohnzimmer auf dem Pad weiter. Wenn Kinder schreien und immer wieder aufwachen, muss man nicht unzufrieden im dunklen Zimmer seinen Abend verballern, sondern legt sich E-Book-lesend dazu und alle sind glücklich.

Die anderen Vorteile des E-Books will ich hier nicht noch besingen, sie sind hinlänglich bekannt.

Trotz all dieser Vorteile muss ich sagen, dass mir „echte“ Bücher fehlen. Denn all die schönen Geschichten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, stehen nicht in meinem Regal, sondern versacken irgendwo im Fundus meiner Lese-Apps. Ich bin eher ungeplant zur reinen E-Book-Leserin geworden und habe den Weg zurück noch nicht gefunden.

Nun gibt es seit diesem Frühjahr eine neue Erfindung. Sie heißt Papego und ist eine App, die mein und sicher das Dilemma vieler Leser lösen kann. Schlaue Leute haben sich Gedanken gemacht und sind auf eine Idee gekommen, die quasi das gedruckte und das elektronische Buch miteinander fusionieren kann: eine App, mit der man gedruckte Bücher mobil weiterlesen kann.

Ich finde das wirklich bahnbrechend, denn es ist nicht nur eine Lösung für all die Buchliebhaber, die auf die Annehmlichkeiten der Digitalversion nicht verzichten wollen. Es ist vielmehr – und das meine ich wirklich - eine Versöhnung der guten alten Buchwelt mit der neuen glitzernden Digitalwelt, die so viele tolle Möglichkeiten für uns bereithält, aber eben nicht nach Papier riecht (ja, ich weiß, abgenutztes Bild, aber ist es doch so). Es ist wie eine Verschmelzung von Technik und Papier und ich bin gespannt, ob diese Lösung Fuß fassen wird.

Also: Papego wurde vom Hamburger Unternehmen Briends entwickelt, im März 2016 in den Markt eingeführt und auf der Leipziger Buchmesse gleich mit dem Publikumspreis „Neuland 2.0“ ausgezeichnet. Das Weiterlesen des gedruckten Schmökers funktioniert so, dass man die zuletzt gelesene Seite mit der App scannt und dann kostenlos einen Buchauszug ab der gescannten Seite auf das Smartphone oder das Pad (hoffentlich doch aber beides) erhält.  

Die große Frage nun ist, wie viele Verlage sich daran beteiligen und wie die App von den Lesern aufgenommen wird. Bisher sind nur wenige Verlage wie Piper, der Berlin Verlag und Aufbau mit im Boot. Da wir E-Book-Leser bekanntermaßen zur Ungeduld neigen, steht und fällt das Modell sicher auch mit der Verfügbarkeit der Bücher. Denn niemand möchte sich mit der App auseinandersetzen und dann erfolglos nach Büchern suchen. Oder sich den nächsten Abendschmöker unter den wenigen aussuchen, die mit dem Papego-Logo ausgezeichnet sind. Darum, dass es mehr Bücher werden und sich das Logo in unser Hirn brennt, sorgt qub media, die sich um Marketingkonzepte und ihre Umsetzung für Buchverlage kümmern.

Ich hoffe sehr, dass es gelingt, Papego erfolgreich auf dem Buchmarkt zu etablieren, weil ich glaube, dass Lösungen wie diese dazu beitragen können, den Graben zwischen gedrucktem und digitalem Buch zu verringern und das gedruckte Buch zukunftsfähiger zu machen (so widersprüchlich das klingt). Wenn wir auf die Eigenschaften eines Buches aus Papier verzichten wollten, hätten wir es schon längst getan. Aber das gedruckte Buch könnte sich Marktanteile zurückholen, die schon es an andere Sparten verloren hat. Zukunftsfähig daran ist auch die Möglichkeit, es uns faulen, opportunistischen Lesern zu erlauben, beides zu haben: den Papiergeruch und die schönen Buchrücken im Regal, kombiniert mit der Unabhängigkeit des digitalen Lesens. Ich kann nur sagen: Los, Verlage, beteiligt euch! Und los, Leser, interessiert euch! Denn mit der App auf dem Smartphone kann keiner mehr sagen, das gedruckte Buch ginge unter und das Abendland gleich mit.